#ZAAVVEchteGeschichten Nr. 7: Zwischenmenschliche Qualen in Zeiten der Isolation
#ZAAVVEchteGeschichten Nr. 7:
Zwischenmenschliche Qualen in Zeiten der Isolation: Ein herzzerreißender Kampf um Nähe und Menschlichkeit in Pflegeheimen während der sog. Pandemie.
März 2022
„Es ist schwer in Worte zu fassen, welche schmerzhaften Erfahrungen meine Familie und ich 2020 - als die sog. Pandemie ausgerufen wurde - gemacht haben. Die Situation begann im März 2020 und drehte sich hauptsächlich um die Verwehrung, meine Mutter als Palliativpatientin im Pflegeheim besuchen zu dürfen.
Sie spiegelt auch die gesamte Zeit seit März 2020 wider und die menschenverachtenden Aspekte, die in dieser Zeit ans Licht kamen.
Meine Mutter war im Oktober 2019 in ein Pflegeheim gezogen, in welchem sie sich anfangs gut eingelebt hatte. Wir gestalteten ihr Zimmer mit persönlichen Erinnerungsstücken und fanden einen neuen Rhythmus. Doch dann brach die Zeit der Ausgangssperren und Besuchsverbote an. Diese Maßnahmen standen im krassen Widerspruch zu den Menschenrechten, die auch für Pflegeheimbewohner gelten sollten. Von März bis Ende Juni 2020 verbrachte sie fast ausschließlich auf ihrem Zimmer, mit nur begrenztem Kontakt zu den Pflegekräften während den Mahlzeiten und den wenigen notwendigen Pflegemaßnahmen. Die psychische Belastung war enorm.
Im Sommer und Herbst 2020 durften Bewohner schließlich wieder Treffen mit großen Abständen und Masken haben, aber wir durften immer noch nicht zu Besuch kommen. Die Begriffe "Ausgang im Garten unter Aufsicht" und "Staatlich verordneter Freiheitsentzug" beschreiben, wie grausam die Situation war. Ältere Menschen, besonders Demenzpatienten, sind auf nonverbale Kommunikation und körperliche Berührung angewiesen. Die Verwendung von Masken und die Angst des Pflegepersonals führten zu einem Mangel an emotionaler Verbindung und führten zu Rückzug und Isolation.
In den Pflegeheimen arbeiteten oft Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, was die Kommunikation zusätzlich erschwerte. Meine Mutter konnte die Situation nicht verstehen und zog sich weiter zurück. Sie verbrachte die meiste Zeit allein, mit dem Fernseher und unseren Telefonaten.
Im Dezember 2020 fanden wir eine Pflegeeinrichtung, die in unserer Nähe war. Dort musste sie nach dem Einzug trotz negativer PCR-Tests bis zu zwei Wochen in Quarantäne verbringen. Sie litt unter der Isolation, den Schutzanzügen und Masken der Pflegekräfte. Diese Maßnahmen verschlimmerten ihre demenziellen Symptome und es war herzzerreißend zu sehen, wie sie sich veränderte.
Während dieser Zeit konnten wir uns nur einmal pro Woche für eine halbe Stunde sehen - mit Masken und Abstand. Ich hätte gerne öfter Besuche gemacht, besonders in der Palliativphase. Doch die Bedingungen, die für die Treffen auferlegt wurden, waren unwürdig und führten dazu, dass meine Mutter Essen und Trinken verweigerte. Als meine Mutter schließlich bettlägerig wurde, verwehrte man uns den Zugang zu ihr.
Die letzten Stunden mit meiner Mutter verbrachte ich im Krankenhaus und ich bin dankbar, dass sie nicht einsam sterben musste. Aber diese Geschichte ist nur ein Ausschnitt aus den vielen Schrecken, die unzählige Familien in dieser Zeit erlebt haben. Die Maßnahmen, die angeblich Empfehlungen waren, wurden selbst vom Ethikrat als inhuman eingestuft.
Als Gesellschaft haben wir ein Tabu gebrochen, indem wir soziale Kontakte unterbunden haben und unter Strafe stellten. Die Einschränkungen unserer Grundrechte waren schwer erträglich. Es heißt doch, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wir sollten für ein humanes Menschenbild kämpfen, das auf sozialer, körperlicher, emotionaler und seelischer Nähe basiert. Es ist Zeit, unsere Grundrechte zu verteidigen und für unsere individuelle Freiheit einzustehen. Dieser Text soll die Erfahrungen dokumentieren, die wir durchgemacht haben, und uns daran erinnern, dass unsere Menschlichkeit niemals geopfert werden sollte."
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